Granny als Nanny – eine Oma zum Mieten

Auf einen Kaffee mit Freunden, in das Fitnessstudio oder mal wieder ausgehen – was für die meisten Menschen selbstverständlich ist, das stellt für Alleinerziehende oft eine Herausforderung dar. Für dieses Dilemma gibt es eine Lösung: Großeltern zum Leihen.


Der Wohnzimmertisch gleicht einem Schlachtfeld – überall liegen Bauklötze und Plüschtiere, Brettspiele stapeln sich. Auf der Couch sitzt die 74-jährige Hedwig mit dem kleinen Rafael und setzt ein Puzzle zusammen. Was nach einem ganz normalen Oma-Enkel-Nachmittag aussieht, ist gar keiner. Die Oma ist geliehen.

Seit 1996 vermittelt der Katholische Familienverband Salzburg und Tiroler Unterland Leihomas und -opas. Derzeit nutzen circa 150 Familien das Angebot, ihre Kinder stundenweise von einer der circa 120 Leihomas betreuen zu lassen. „Momentan haben wir leider nur einen Leihopa in unserem Netzwerk. Ich glaube, dass das Thema Familie eher Frauen anspricht, vor allem jene, die selber keine Kinder haben“, sagt der Geschäftsführer Rudolf Gruber.

Hedwigs Glücksnachmittage

Oma-Fussball2Eine davon ist Ordensschwester Hedwig. Schon in der Schulzeit war es ihr Berufswunsch, Kinderdorfmutter zu sein. Später machte sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und arbeitete in einem Kinderheim. Dort lernte sie eine Schwester ihres jetzigen Ordens kennen und verschrieb sich von da an ganz dem Glauben. Seit sie in Pension ist, widmet sie sich wieder ihrer Leidenschaft, den Kindern. Seit 2003 ist Schwester Hedwig Leihoma.

Aktuell betreut Schwester Hedwig zwei Familien. Rafael ist immer donnerstags für zwei Stunden bei ihr, sie holt ihn meistens vom Kindergarten ab. Leider regnet es an diesem Donnerstag, deshalb spielen die beiden Fußball im Missionshaus Liefering. Der Vierjährige jagt seine Leihoma durch den langen, breiten Gang. „Ich bin gerne bei Schwester Hedwig, weil sie so tolle Spielsachen hat“, sagt Rafael ganz außer Atem. Auch Hedwig sieht das so: „Ich bin eine, die gerne mit Kindern spielt. Wenn die Kinder glücklich sind, kommt mir das ja auch zugute“. Die Zeit mit den Kindern bezeichnet sie als ihre „Glücksnachmittage“.

Aber bevor es ans Spielen geht, müssen zukünftige Leihgroßeltern eine achtstündige Grundausbildung unter Aufsicht einer Pädagogin absolvieren. Zweimal jährlich werden Weiterbildungen angeboten. Zudem müssen sie geistig und seelisch gesund sein und Liebe für Kinder mitbringen. Pädagogische Vorkenntnisse sind wünschenswert, aber kein Muss. Ob eine Oma geeignet ist, entscheidet die Verantwortliche Rosemarie Forster nach einem einstündigen Gespräch.

Leihomas tolle Ideen

Mittlerweile hat es aufgehört zu regnenOma-Mama. Nun sitzt Schwester Hedwig mit Rafael am Bioteich in Liefering, die selbst gebaute Angel aus Schnur und Ast baumelt über dem Wasser. Sie warten darauf, dass endlich ein Goldfisch anbeißt. Nur eine der ausgefallenen Ideen, die sich Schwester Hedwig Woche für Woche für den Kleinen ausdenkt. Auch Mama Andrea, die Rafael gerade abholen kommt, ist begeistert: „Sie macht immer ganz tolle Sachen mit ihm, die mir nie einfallen würden.“ Die freie Zeit am Donnerstagnachmittag nutzt Andrea, um mit Freunden Kaffee trinken zu gehen oder etwas für die Arbeit zu machen.

Laut Rudolf Gruber vom Katholischen Familienverband ist dies der häufigste Grund, warum Eltern das Angebot nutzen. Besonders dOma-spielenie Erfahrung und Zuverlässigkeit der durchschnittlich 60-Jährigen sei den Eltern wichtig. Deshalb engagieren sie lieber eine Leihoma als einen jungen Babysitter. Zudem sind Leihgroßeltern kostengünstiger: Das Familiennetzwerk empfiehlt eine Aufwandsentschädigung zwischen sechs und acht Euro pro Stunde. Auch für die Leihgroßeltern gibt es viele Vorteile: die neue Herausforderung im Alter hält sie jung. Oft haben die Leihomas selbst keine eigene Familie. Generell wird das Konzept Leihoma immer beliebter – seit der Gründung ist das Leihoma-Netzwerk um ein zehnfaches gewachsen.

„Schwester Hedwig ist eine sehr verständnisvolle Frau und hat einen guten Draht zu Kindern. Es ist angenehm, wenn man mit jemandem auf der gleichen Wellenlänge ist und ihm vertrauen kann, auch in Erziehungsfragen“, sagt Mama Andrea, während sie und Hedwig mit Rafael spielerisch das Uhren lesen üben. Obwohl Rafael auch richtige Großeltern hat, ist Schwester Hedwig inzwischen ein fester Teil der Familie geworden; bei Geburtstagen und Familienfesten im Kindergarten ist sie immer dabei. Das sei bei fast allen 17 Familien, die sie bisher betreut hat, so gewesen. „Es bewegt mich immer sehr, wenn ich meine Leih-Enkerl zufällig im Bus treffe und sie mir auf die Schulter tippen.“

 

Autorinnen: Simone Bogner, Corinna Breuer, Tamara Stocker, Nina-Caroline Zimmermann

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